Hallo zusammen,
heute ein kleiner Beitrag zu einem Buch, das ich vor kurzem gelesen habe: Sleeping Beauties. Es ist geschrieben vom berühmten Autor Stephen King, zusammen mit seinem jüngsten Sohn Own King.
Die Handlung ist schnell erzählt: Überall auf der Welt schlafen auf einmal Frauen ein und wachen nicht mehr auf, sondern bilden einen aus feinen, weißen Fäden bestehenden Kokon. Versucht man die Frauen zu wecken und/oder den Kokon zu entfernen, werden die Frauen zu Monstern und greifen diejenige/n an und töten sie unter Umständen, um dann wieder einzuschlafen. Niemand weiß ein Mittel dagegen und man scheint machtlos zu sein. Auch die amerikanische Kleindstadt Dooling ist von diesem Phänomen betroffen. Dort taucht zusätzlich eine mysteriöse Frau namens Evie auf, die übernatürliche Kräfte zu haben scheint und für die "Epidemie" verantwortlich zu sein. Eingespert im örtlichen Frauengefängnis müssen einige Wenige sie vor Männerbanden beschützten, die sie töten wollen, weil sie sie verantwortlich machen und meinen, so ihre Frauen, Töchter, Mütter rettenzu können.
Was sich wie ein spektakulärer Science Fiction Thriller anhört, ist ein Plädoyer gegen Sexismus, Frauenunterdrückung und sogar grassierende Frauenfeindlichkeit. Es ist ein Weckruf an die (amerikanische) Gesellschaft und gegen ein starres Frauenbild. Die gesamte Thematik soll hier gewiss nicht ausgebreitet werden, dazu gibt es bestimmt qualifizierendere Artikel, Beiträge, Meinungen, Studien und vor allem: Erfahrungen.
Die Frauen von Dooling sind nämlich nicht tot, sondern wachen in einer Art Parallelwelt auf - ohne Männer - und sie allein können entscheiden, ob sie dort bleiben und sich ein neues Leben und eine neue Welt aufbauen wollen. Eine Welt ohne Männer, die sie schlagen, in eine Ecke stellen, ihnen eine "Rolle" zusprechen, o.Ä. Vor allem wäre es eine Welt, in der die männlichen Nachkommen von Frauen und mit dem Respekt vor Frauen aufgezogen würden.
Ohne - ich betone es erneut - näher in die Thematik einzusteigen, muss ich sagen: Ein lesenswertes Buch, das eines der größten Fragen der (unserer) Zeit thematisiert, nämlich die nach Sexismus, Geschlechterrollen und damit zusammenhängenden Machtverhältnissen. Jeder, der ewige Fernsehbeiträge, die Meinung von "Expertinnen und Experten" und noch einer cleveren Studie für einen Moment zur Seite legen will (so wichtig diese Dinge sind), kann die Thematik in diesem Buch in einer spannenden Geschichte aufnehmen.
Mit mir bleibt jedenfalls ein nachdenklicher Leser zurück und wenn dies der Fall ist, dann hat ein Buch (s)ein Ziel erreicht.
Welt, Gesellschaft und Religion von heute
Sonntag, 26. August 2018
Sonntag, 22. Juli 2018
Die Tyrannei des Schmetterlings
Hallo zusammen,
ich bin zurück mit einem Beitrag hier in meinem
Blog. Heute wird es mal sowas wie eine Rezension geben. Und zwar von dem Roman
„Die Tyrannei des Schmetterlings“ (Köln 2018, Verlag Kiepenheuer & Wisch)
von Frank Schätzing.
Ich gebe euch einmal einen Überblick. Vieles dürfte euch von der Struktur her bekannt vorkommen.
Ich gebe euch einmal einen Überblick. Vieles dürfte euch von der Struktur her bekannt vorkommen.
1
Autor und Plot
2
Meine Meinung
3
Einordnung in seine Bücher
1) Autor
und Plot
Der Autor des Romans ist Frank Schätzing. Geboren
1957 in Köln war er nach einem Studium der Kommunikationswissenschaften
zunächst in der Werbebranche aktiv, bevor er ab den 1990er Jahren begann,
schriftstellerisch in Erscheinung zu treten. Er lebt und arbeitet in Köln.
Im Buch geht es um den Undersheriff Luther Opoku
(praktisch zweiter Sheriff) des kleinen Kaffs Sierra Nevada in Kalifornien,
ganz in der Nähe des Silicon Valleys, dem Ort großer Internetgiganten wie
Google oder Facebook. Eigentlich ein hoher Beamter eines Drogendezernats ist er
Jahre zuvor auf die kleine Stelle gegangen aufgrund eines Einsatzes, bei dem er
fast zu Tode gekommen wäre, auch für seine Tochter, die nicht als Vollwaise
aufwachsen soll, da seine Frau bei einem Unfall bereits Jahre zuvor verstorben
war. Bei einer Untersuchung eines Mordfalls in seinem Einzugbereich stößt er
auf eine Firma, die sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt, und ein
großes Forschungsareal, das nur „die Farm“ genannt wird, besitzt und das stark
abgeschirmt ist von der Außenwelt. Gründer und Hauptfigur der „Nordvisk Inc.“
(so der Name der Firma) ist der eigenwillige und charismatische Elmar Nordvisk,
ein Visionär und Spitzenreiter im Bereich der KI. Opoku stößt im Laufe seiner
Ermittlungen auf eine „Brücke“ der Künstlichen Intelligenz ARES, die die Farm
praktisch kontrolliert und gelangt dadurch in Parallelwelten, die ähnlich
„seiner“ Welt sind, sich aber in Details unterscheiden (so lebt in einer Welt „seine“
Frau noch). Er kommt dunklen Machenschaften von Mitgliedern der Nordvisk Inc.
auf die Spur und versucht große Katastrophen zu verhindern.
2) Meine
Meinung
Ich werde meine Meinung wie gewohnt in Thesen
formulieren. In diesem Fall habe ich drei Thesen zu dem Buch.
(1) Das
Buch ist dramaturgisch okay geschrieben, aber nicht außergewöhnlich
Der Hauptprotagonist ist ein „einsamer Cowboy“, der
aufgrund von Schicksalsschlägen die Einsamkeit und Verschlafenheit eines
kleinen Nestes gesucht hat, um dann in eine der größten Gefahren der Moderne
hineinzugeraten und widerwillig zum Helden zu werden. Eine Grundstruktur, die
viele benutzen und die in viele Geschichten und Kontexte hineingestellt werden
kann. Auch die Problematiken des „Schmetterlingseffekts“ beim Betreten von
Parallelwelten ist allgemein bekannt. Hier holt Schätzing ein ganz nettes Maß
an Dramaturgie heraus, die großen „Aha-Effekte“ und Überraschungen bleiben aber
aus. Die Figuren bilden Charaktere ab, die wir aus vielen Geschichten kennen.
Nachdenkliche, Computerfreaks, Böse und Gute. Auch hier wird die „übliche“
Palette abgespult, aber nicht großartig ausgenutzt und weiter transportiert.
Auch die Beziehungen der Figuren untereinander bieten interessante und
spannende Passagen, die aber keine schlaflosen Nächte bereiten und zum Teil
sehr kurzweilig geschrieben sind.
(2) Die
Gefahren, auf die Schätzing hinweisen will, sind recht klischeehaft
Frank Schätzing ist für Bücher bekannt, die auf die
aktuellen „großen“ Themen hinweisen wollen (siehe Punkt 3). Die große Gefahr,
vor der er mit diesem Buch warnt bzw. auf die er aufmerksam machen will, ist
die Künstliche Intelligent (KI). Einige Staaten haben inzwischen große
Fortschritte in diesem Bereich gemacht und steuern auf Bereiche zu, in denen
Maschinen, Computer und Technologien entwickelt werden, die nicht mehr auf
Befehl hin reagieren (z.B. auf die Tastatur drücken und der Computer reagiert
darauf), sondern eigene Wege, Mechanismen, Lösungen, ja sogar ein eigenes
Bewusstsein entwickeln, also eine eigene Intelligenz. Die große Gefahr ist in
diesem Fall, dass die Künstliche Intelligenz ARES Möglichkeiten entwickelt, die
nicht mehr kontrollierbar sind [es wird im Buch das Beispiel angeführt, dass an
ARES der Befehl ergeht, sie solle die perfekte Büroklammer entwickeln,
woraufhin sie solange entwickelt, verbessert und „nachdenkt“, bis sie alle
Ressourcen der Erde verwendet, nur um die perfekte Büroklammer herzustellen,
weil das, und nur das, ihr Auftrag war] bzw. dass ARES eine solch eigenwillige
Persönlichkeit und ein so eigenwilliges Bewusstsein entwickelt, dass es autonom
und sogar zum Schaden der Menschen agiert bzw. die Macht übernimmt. Dies ist
ein Motiv, das uns allgegenwärtig vorkommt, wenn wir über KI und die Macht der
Maschinen nachdenken. Populär thematisiert wurde dies bereits im Film „Matrix“
aus dem Jahre 1999. In diesem Zusammenhang kommen im Buch auch die
Robotergesetze von Isaac Asimov aus einer seiner Kurzgeschichten aus dem Jahre
1942 vor:
1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.
2. Ein Roboter muss dem ihm von einem Menschen gegebenen Befehl gehorchen – es sei denn, dieser Befehl verstößt gegen das erste Gesetz.
3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel Eins oder Zwei kollidiert.
Diese Regeln wurden ebenfalls bereits thematisiert in dem Film „I, Robot“ aus dem Jahre 2004.
Auch der bereits kurz angeführte Schmetterlingseffekt bei Zeitreisen bzw. in diesem Fall Reisen in die Parallelwelten wurde bereits des Öfteren thematisiert. Da Opoku in den Parallelwelten bereits „existiert“ (also sein dortiges Ich), stiftet er, wie alle anderen „Doppelgänger“, natürlich eine gewisse Verwirrung. Die ethischen Aspekte, so zum Beispiel die Frage, ob es legitim ist, in andere Welten zu gehen und deren Errungenschaften in die eigene Welt zu transportieren oder die Frage, wie mit Ressourcen umgegangen wird (so werden Ressourcen aus anderen Welten von zwei eigenwilligen Sicherheitsleuten für Waffenverkäufe verwendet) oder die Frage nach der Einzigartigkeit des Menschen bzw. seiner Würde, wurden zuhauf bereits thematisiert. Teilweise artet die Geschichte in „Gut-Böse-Metaphern“ aus und lässt die Grautöne dazwischen vermissen.
1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.
2. Ein Roboter muss dem ihm von einem Menschen gegebenen Befehl gehorchen – es sei denn, dieser Befehl verstößt gegen das erste Gesetz.
3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel Eins oder Zwei kollidiert.
Diese Regeln wurden ebenfalls bereits thematisiert in dem Film „I, Robot“ aus dem Jahre 2004.
Auch der bereits kurz angeführte Schmetterlingseffekt bei Zeitreisen bzw. in diesem Fall Reisen in die Parallelwelten wurde bereits des Öfteren thematisiert. Da Opoku in den Parallelwelten bereits „existiert“ (also sein dortiges Ich), stiftet er, wie alle anderen „Doppelgänger“, natürlich eine gewisse Verwirrung. Die ethischen Aspekte, so zum Beispiel die Frage, ob es legitim ist, in andere Welten zu gehen und deren Errungenschaften in die eigene Welt zu transportieren oder die Frage, wie mit Ressourcen umgegangen wird (so werden Ressourcen aus anderen Welten von zwei eigenwilligen Sicherheitsleuten für Waffenverkäufe verwendet) oder die Frage nach der Einzigartigkeit des Menschen bzw. seiner Würde, wurden zuhauf bereits thematisiert. Teilweise artet die Geschichte in „Gut-Böse-Metaphern“ aus und lässt die Grautöne dazwischen vermissen.
(3) Weniger
ist Mehr
Frank Schätzings Buch ist mit knapp 730 Seiten (mal
wieder) ein echter Wälzer. Bereits seine beiden „großen“ Bücher der Schwarm (980 Seiten) und Breaking News (955 Seiten) hatten eine,
selbst für Romanverhältnisse, Riesenlänge. Von daher sind die 730 Seiten fast
schon kurz gefasst. In Anbetracht der Dramaturgie und der Geschichte meiner
Ansicht nach viel zu lang. Mehrere Beschreibungen, Darstellungen und biographische
Daten zu Figuren hätten auch kürzer gefasst werden können und hätten, so denke
ich, die „Spritzigkeit“ der Geschichte nicht so gedrosselt, wie sie es leider
getan haben. Abgesehen von der quantitativen Länge, also Seitenanzahl und
–umfang, hätte die Geschichte mit geringerer Verstrickung der Parallelwelten,
der Figuren und der Beschreibungen logischer und „flüssiger“ gewirkt. So musste
ich zum Teil eine große Portion Konzentration an den Tag legen, um der
Geschichte, dem Verlauf und vor allem dem Sinn besser folgen zu können und die
Dramaturgie besser auf mich wirken lassen zu können. Zudem verwirrte der Aspekt
der Zeitreisen. Bereits mit der Thematik der KI, die, wenn man technisch näher
hineingeht, für viele Menschen, die technisch keine Brains sind, eine
Herausforderung ist, hat Schätzing eine große Thematik gehabt. Diese auch noch
mit Zeitreisen in Bezug auf die Parallelwelten zu verknüpfen, halte ich deshalb
für kontraproduktiv. Zeitreisen haben ihre eigenen Tücken und auch dieses Thema
ist in der Populärkultur bereits so oft durchgenommen worden, das auch hier ein
Geschmack von Klischee (siehe Punkt 2) haften bleibt.
3) Einordnung
in seine Bücher
Wie bereits angeführt, nimmt sich Frank Schätzing
der großen Themen an. Klimawandel („Der Schwarm“, 2004) oder der
Israel-Palästina-Konflikt („Breaking News“, 2014). Nun ist es also mit „Die
Tyrannei des Schmetterlings“ (2018) und des thematisierten Aspekts der KI
wieder ein großes Thema, an das sich Schätzing herantraut. Von den Abständen
der Erscheinungsjahre erkennt man, dass Schätzing für ein Buch fünf Jahre und
länger braucht. „Große“ Themen beinhalten viele Informationen, die erstmal
gesichtet, reflektiert und die dann eingeordnet werden müssen. Daraus dann auch
noch eine spannende Geschichte mit spannenden Figuren zu kreieren, ist eine
zusätzliche Herausforderung, der sich Schätzing aber gerne annimmt und die
viele Recherchearbeit offensichtlich gerne in Kauf nimmt. Dass mag gewiss ein
Grund dafür sein, dass er mit seinen Büchern regelmäßig Besteller landet (der
Schwarm ist bei inzwischen fast 4 Millionen Exemplaren in u.a. 27 verschiedenen
Sprachen [Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Sch%C3%A4tzing,
Abruf: 07-18-18, 18:42]). Auch hier zeigen die ersten Zahlen in eine ähnliche
Richtung (https://www.tagesspiegel.de/kultur/frank-schaetzing-bestsellerautor-der-fluegelschlag-der-algorithmen/21248076.html,
Abruf: 07-18-18, 18:43).
Sicherlich hat Schätzing inzwischen einen Namen, sicherlich hat er in einer durchaus spannenden Art und Weise eine solide Geschichte hingelegt, dennoch bleibe ich weiterhin dabei: An „der Schwarm“ oder „Breaking News“ kommt dieses Werk nicht heran.
Sicherlich hat Schätzing inzwischen einen Namen, sicherlich hat er in einer durchaus spannenden Art und Weise eine solide Geschichte hingelegt, dennoch bleibe ich weiterhin dabei: An „der Schwarm“ oder „Breaking News“ kommt dieses Werk nicht heran.
Schätzing, Frank: Die Tyrannei des Schmetterlings,
Köln 2018.
Sonntag, 12. November 2017
Leitkultur - Eine Betrachtungsweise
Leitkultur
– Plädoyer für eine Kultur, die uns leitet und die wir leiten
Ich bekam vor einigen Wochen zufällig
eine Debatte in einer klassischen Düsseldorfer-Altstadt-Kneipe mit, bei der es
um Flüchtlingsströme, Integration und das Volk ging. Eine der debattierenden
Personen sagte im Verlaufe des Gesprächs irgendwann, dass „diejenigen, die zu
uns kommen, sich doch an unsere Kultur anpassen müssten“. Sofort kam mir in den
Kopf: Aha, eigentlich geht es also mal wieder um die Leitkultur.
Dieser Begriff fand in der
gesellschaftspolitischen Debatte sowohl durch die CDU-Politiker Jörg Schönbohm
1998 und Friedrich Merz 2000 – neben dem Politikwissenschaftler Bassam Tibi,
der den Begriff maßgeblich geprägt hat – an der Schwelle zum neuen Jahrtausend
Einklang, brach Mitte des letzten Jahrzehnts nach einer ruhigeren Phase wieder
auf und hat seinen (vorläufigen) Scheitelpunkt durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen
seit 2015 erfahren.
Dabei soll der Begriff der Leitkultur in
diesem Kontext Fragen beantworten, allerdings – so mein Eindruck – erzeugt er
eher neue Fragen: Geht es hier um eine Kultur, die alle „leiten“ soll und aus
der man nicht „ausscheren“ darf? Was bedeutet es, wenn man dieser Kultur, die
leiten soll, nicht „folgen“ möchte?
Der Begriff ist kompliziert und einfach zugleich: Das alltägliche Zusammenleben basiert auf gewissen kulturellen Gepflogenheiten. Bestimmte Werte, die ein konstruktives kollektives Zusammenleben ermöglichen, wobei der individuellen Entfaltung Platz gelassen wird, sind grundlegend für jede Gesellschaft und Kultur. Diese sind jedoch nicht starr, sondern müssen sich in neuen Kontexten immer wieder bewähren und sind daher einem dynamischen Wandel unterworfen. Geht man von dieser Prämisse aus, stellt sich die Frage, wie sinnvoll es beispielsweise wäre, Migranten und Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, eine Leitkultur „aufzuzwingen“.
Dagegen stelle ich die These auf, dass
eine Leitkultur kein „Ziel“ einer politischen Bildung und Integration ist,
sondern der „Ausgangspunkt“, der die Grundlagen bietet, um auf die je neuen
Herausforderungen zu verschiedenen Zeiten plausibel und überzeugend antworten
zu können. Daher muss der Begriff „Leitkultur“ nicht zwingend ein klar
definierter Begriff sein, sondern ein Synonym für die Debatte um das oben
beschriebene Verhältnis von kulturellen Grundlagen und konkreten
Herausforderungen.
Da diese „Grundlagen“ in diesem
Konstrukt so wichtig sind, lohnt es sich, sie näher zu betrachten, zunächst
einmal historisch: Die deutsche Kultur, Gesellschaft und der deutsche Staat
haben durch die zwei Weltkriege, und hierbei vor allem durch den Zweiten
Weltkrieg, einen starken „Cut“ erfahren. Dies sollte man im Hinterkopf
behalten, wenn man über den Begriff „Leitkultur“ spricht, dem ich fünf
Parameter zuordne:
Verfassung, Kultur (dazu gehörend Religion), Sprache und Bildung(sideal).
Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Grundgesetz. Das Besondere an dieser Verfassung ist, dass sie elementare Grundrechte, Menschenrechte, aus dem außergewöhnlichen historischen deutschen Kontext entstandene Lehren und gleichzeitig Entfaltungsmöglichkeiten einer freien, aber auf bestimmten Werten basierten Gesellschaften in einzigartiger Weise miteinander verknüpft. Das Grundgesetz hat für die Menschen ab 1949 in der deutschen Geschichte einzigartige Möglichkeiten geschaffen und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Menschen aus anderen Staaten, Kulturen und Gesellschaften ein freiheitliches Leben zu ermöglichen. Doch das Grundgesetz darf kein Ersatz für eine Kultur bzw. kulturelle Identifikation sein, sondern es ist eine Grundlage dessen. Als Beispiel sei hier die Geschlechtergerechtigkeit genannt, die ein Grundrecht ist, aber trotzdem immer der (Fort-)Entwicklung unterworfen war und ist und somit die Kultur Deutschlands immer mitbestimmt hat und weiterhin mitbestimmt.
Die Grenzen und gleichzeitig Chancen des
Grundgesetzes werden im Kontext der kulturellen Integration von Menschen aus
anderen kulturellen Kontexten deutlich.
Grenzen, weil das Grundgesetz (in den
historischen Kontexten von) 1949 verfasst wurde und dort an Gastarbeiter, „Einwanderungsland
Deutschland“ oder Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika noch
nicht zu denken war. Chancen, weil es bei Reibepunkten und Konfrontationen vor
allem mit seinen ersten neunzehn Grundrechten unverrückbare Prinzipien bietet, die
die Basis bilden, um mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen fertig zu
werden. Diese ermöglichen dann nicht nur eine Integration der Menschen, sondern
auch eine „Integration der Kulturen“; eben auf der Basis des Grundgesetzes und
damit wird aus einer exklusiven Kultur
eine inklusive „Kulturgemeinschaft“.
Fragt man nach den konkreten „Werten“ und „Eigenschaften“ der deutschen Kultur, wird u.a. auf Pünktlichkeit, Höflichkeit, Ordnung und Disziplin verwiesen. Abgesehen davon, dass dies auch universale Eigenschaften sind, plädiere ich als angehender Historiker dafür, die in der deutschen Geschichte oftmals militaristische Verwendung dieser Eigenschaften zu bedenken. Doch diese „deutschen“ Eigenschaften (ich sehe sie in meiner eigenen Familie bestätigt) sind das beste Beispiel für Werte, die in einer Kultur gleichzeitig „fest verankert“ sein können und dennoch wandelbar sein sollten.
Fragt man nach den konkreten „Werten“ und „Eigenschaften“ der deutschen Kultur, wird u.a. auf Pünktlichkeit, Höflichkeit, Ordnung und Disziplin verwiesen. Abgesehen davon, dass dies auch universale Eigenschaften sind, plädiere ich als angehender Historiker dafür, die in der deutschen Geschichte oftmals militaristische Verwendung dieser Eigenschaften zu bedenken. Doch diese „deutschen“ Eigenschaften (ich sehe sie in meiner eigenen Familie bestätigt) sind das beste Beispiel für Werte, die in einer Kultur gleichzeitig „fest verankert“ sein können und dennoch wandelbar sein sollten.
Daneben wird immer wieder auf die
„christlich-abendländische Tradition“ verwiesen. Als angehender Historiker und
Theologe würde ich diesen Begriff im Kontext der Leitkultur-Debatte
unterschreiben. Das Grundgesetz beispielsweise ist „im Bewusstsein vor Gott und
den Menschen“ verfasst, die Synthese zwischen Staat und Christentum bestimmt
einen Großteil der deutschen Geschichte und des „deutschen Denkens“ bis heute.
Ich unterschreibe ihn jedoch nicht, wenn er exklusiv, Menschen mit anderen
religiös-kulturellen und religiös-gesellschaftlichen Vorstellungen abwertend,
benutzt wird und gemeint ist.
Stattdessen findet seit nunmehr knapp 250
Jahren mit Beginn der Aufklärung eine besondere Synthese in Europa und
Deutschland statt: Die Synthese zwischen Glauben und Vernunft und damit
einhergehend die Kritik und Entwicklung des einen durch das andere. Durch das
positive Religionsrecht (vgl. GG, Art. 4, Abs. 2) wird zudem die Möglichkeit
geboten, Religion auch im öffentlichen Raum auszuleben, ohne die Trennung von
Staat und Religion zu verletzen. Somit ist Religion sinnstiftend, aber – im
staatlichen und kulturellen Sinne – nicht alleine sinnerklärend.
Diese Aspekte – Verfassung, Kultur und Religion – müssen aber sowohl in Deutschland geborenen Menschen als auch Zuwanderinnen und Zuwandern vor allem durch das Medium der Sprache nahegebracht werden. Dies hat im „Land der Dichter und Denker“ eine besondere Bedeutung.
Sprache ist zudem das Hauptmedium des
menschlichen Miteinanders und beugt Missverständnissen und Milieubildungen und
damit Abschottungen vor. Dabei muss man sich von zwei Seiten einander annähern:
Der Wille zum Erlernen der deutsche Sprache ist hilfreich, aber auch die
Fähigkeit, dazu motivieren zu können. Im Zweifelsfall wird die Initiative vom
deutschen Staat und dessen Bildungseinrichtungen und der deutschen Gesellschaft
das entscheidendere Moment sein.
Daher ist Bildung, die
entscheidende Komponente. Schulische und berufliche Bildung bietet die
Grundlage für wirtschaftliche Sicherheit, über die der Zugang zu den anderen
erläuterten Aspekten einfacher wird. Spricht man jedoch über den Begriff der
Leitkultur, so muss man konstatieren, dass der rein kognitive und ökonomische
Zugang nicht ausreicht, sondern gerade hier sind politische und
gesellschaftliche Bildung, die geisteswissenschaftlichen Fächer in Schule,
Universität und Gesellschaft und der gesellschaftliche und politische Austausch
gefordert. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Herausbilden kritischen Denkens
im Sinne der Ideale der Aufklärung. Daher ist eine demokratische Debatten- und
Diskussionskultur unablässig. Gerade weil die deutsche Gesellschaft zu einer
immer dynamischeren und heterogeneren Gesellschaft wird, braucht es auf
journalistischer, politischer, gesellschaftlicher und religiöser Ebene einen
Austausch, der eben humanistischen, aufklärerischen und demokratischen
Grundlagen Stand hält. Dazu gehört auch bürgerschaftliches und ehrenamtliches
Engagement.
Menschen brauchen Orientierung, individuell und gemeinschaftlich, zusammengeschlossen in einer Gesellschaft. Erst gemeinsame Nenner und Verbindlichkeiten sorgen für Toleranz, ohne in die Beliebigkeit abzurutschen. Somit werden die Grundlagen für ein wirkliches Miteinander geschaffen statt einem Nebeneinander, das meiner Ansicht nach zu Abschottung und Milieudenken und letztlich zu Parallelgesellschaften, gleich welcher Art, führen kann.
Deshalb sage ich: Wir „brauchen“ keine Leitkultur, wir haben eine, aber es darf keine Leitkultur sein, die ausschließlich uns „leitet“, sondern eine, die auch wir, individuell und gemeinschaftlich, „leiten“.
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